Kreuz und Quer
Ist Buße in?
Wenn sich eine Gesellschaft oder ein Staat in früheren Zeiten einer besonderen Not oder einer großen Gefahr ausgesetzt sah, wurde ein Buß- und Bettag angeordnet, um die ganze Bevölkerung zu Umkehr und Gebet aufzurufen. Büßen und Beten, um das Unheil abzuwenden, wie die Menschen im alttestamentlichen Ninive nach der Untergangsprophezeiung des Propheten Jona. Und es hat ja auch geklappt!
Uraltes menschliches Denken: Wenn es mir schlecht geht, habe ich etwas falsch gemacht. Damit es mir wieder besser geht, muss ich mich ändern. Tief verwurzeltes Denken und Fühlen, da mögen wir noch so evangelisch sein und an die allein erlösende Gnade Gottes glauben. Guten Willen zu zeigen, kann ja nicht schaden. Das war „in“: So konnte man 1878 in 28 deutschen Ländern insgesamt 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen zählen.
Und heute? Der Spruch zum Tag aus dem alttestamentlichen Buch der Sprüche (14,34) ist ambivalent: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben.“ Da ist zunächst nicht von Gott, nicht von Strafe oder Umkehr die Rede, sondern es wird schlicht festgestellt: Wenn die Menschen gerecht miteinander umgehen, dann ist das gut für alle. Würden wir uns heute danach richten, ich glaube, unsere Gesellschaft wäre menschlicher. Doch dann kommt mit dem Wort Sünde doch wieder der „liebe Gott“ ins Spiel. Und das ist gut so: denn der „liebe Gott“ ist wirklich die Liebe. Er möchte nicht unser Verderben, sondern unser Leben. Durch die Liebe. Ganz ohne Schwert und Waagschale.